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Bereits seit einigen Jahrzehnten geht man davon aus, dass etwa 35 bis 40 Prozent aller Tumorerkrankungen zumindest zum Teil von einer Fehlernährung verursacht werden. Bei den meisten Betroffenen liegt während der Behandlung eine Mangelernährung vor, mehr als 25 Prozent der Patienten sterben an den Folgen ihrer körperichen Auszehrung.

Der World Cancer Research Fund (WCRF) hat 2007 acht Empfehlungen zur Krebsprävention aufgestellt:
1. Es wird empfohlen, so schlank wie möglich zu bleiben, und zwar innerhalb des normalen Körpergewichtsbereichs.
2. Körperliche Aktivität sollte ein Teil des täglichen Lebens sein.
3. Der Verzehr energiedichter Lebensmittel sollte begrenzt werden, zuckerhaltige Getränke sind zu vermeiden.
4. Es wird empfohlen, überwiegend pflanzliche Lebensmittel zu verzehren.
5. Es wird empfohlen, den Verzehr von rotem Fleisch zu begrenzen und den Verzehr von verarbeitetem Fleisch zu vermeiden.
6. Empfohlen wird eine Begrenzung des Konsums alkoholischer Getränke.
7. Empfohlen wird eine Begrenzung des Salzkonsums; der Verzehr von verschimmelten Getreide oder Hülsenfrüchten ist zu vermeiden.
8. Der Nährstoffbedarf sollte ausschließlich durch Lebensmittel gedeckt werden.

Außerdem gibt es noch die folgenden grundlegenden Zusatzempfehlungen:
1. Stillen: Mütter sollten stillen; Säuglinge sollten gestillt werden.
2. Krebsbetroffene: Es gelten die Empfehlungen zur Krebsprävention.

Schon vor der Diagnose zeigt sich bei mehr als der Hälfte der Tumorpatienten ein Gewichtsverlust, sind Magen oder Bauchspeicheldrüse betroffen, so sind es sogar mehr als 80 Prozent. Das liegt häufig an verringertem Appetit und reduzierter Nahrungsaufnahme bereits in frühen Stadien der Erkrankung. Hinzu kommen Inflammation, verringerte Mobilität und Fatigue. In der Fachsprache wird dies als Tumorkachexie oder kanzeröse Kachexie zusammengefasst, eine Stoffwechselstörung, die zu Auszehrung (Kachexie) und Abmagerung bei den Betroffenen führt. Häufig liegen Insulinresistenz, Hyperglykämie und Eiweißverluste vor.

So sollte heute die Ernährungstherapie zusammen mit körperlicher Bewegung ein integraler Bestandteil der ärztlichen Therapie und Prävention sein. Es ist bekannt, dass Unter- und Mangelernährung ein zusätzlicher Risikofaktor für einen ungünstigen Krankheitsverlauf sind. Sie führen zu einem Verlust der Lebensqualität, verschlechtern die Prognose, reduzieren die Therapietoleranz und steigern die Therapieabbruchraten sowie die Komplikationsraten.

Zu einer erfolgreichen Ernährungstherapie in der onkologischen Praxis gehören eine differenzierte Erfassung der Problemsituation, die optimale Behandlung beeinflussbarer Faktoren zur Verbesserung der Nahrungsaufnahme und -verwertung, die Sicherung des erforderlichen und tolerierbaren Energie- und Nährstoffbedarfs, ein begleitendes, an die Situation adaptiertes Muskel- und/oder Bewegungstraining sowie antiinflammatorische (entzündungshemmende) und antikatabole (den Muskelabbau hemmende) Behandlungsansätze.

Anzumerken ist hier, dass sg. "Krebsdiäten", wie sie im Internet und in populär-wissenschaftlichen Büchern propagiert werden, im besten Falle ohne (zusätzlichen) Schaden angewendet werden können, aber meist mit erheblichen finanziellen Belastungen einhergehen. Wissenschaftliche Belege gibt es für keine dieser Diäten und aufgrund der Vielfalt der auftretenden Tumorerkrankungen selbst in einzelnen Organen ist eine allgemeingültige Diätetik auch schlicht unplausibel. Insbesondere Diäten, mit denen der Krebs "ausgehungert" werden soll, sind extrem einseitig und hochriskant.

Während der Behandlung kommt es neben Appetitlosigkeit oft auch zu einer Entzündung der Mundschleimhaut bzw. des Zahnfleisches sowie zu Übelkeit und Erbrechen. Unter Umständen ist eine rein orale Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich. Hier kommen die künstliche Ernährung über den Magen-Darm-Trakt oder intravenös mittels Speziallösungen zum Einsatz. So kann sichergestellt werden, dass der Organismus ausreichend mit Wasser, Elektrolyten, Kohlenhydraten (meist in Form von Glucose), Aminosäuren, Fetten, Vitaminen und Spurenelementen versorgt ist.

Diarrhoe (Durchfall) und Obstipation (Verstopfung) sind weitere häufige Begleiterscheinungen der Behandlung. Dem kann mit fett- und ballaststoffarmer Kost (bei Diarrhoe) bzw. ballaststoffreicher Kost mit feinvermahlenen Produkten und ausreichend Flüssigkeit (bei Obstipation) begegnet werden. Kontraindikationen sind hierbei jedoch diagnostisch auszuschließen.

Beim Mammakarzinom (Brustkrebs) gelten Ernährung und vor allem Alkohol als wesentliche Risikofaktoren. Gerade Adipositas und Übergewicht sind weitere Risikofaktoren. Kalorien- und fettreiche Ernährung steigern das Risiko jedoch nicht generell. Als Hauptursachen für die Häufung in westlichen Industriestaaten werden die Ernährungsbedingungen und mangelnde Bewegung angenommen. Als protektiv gelten Isoflavone und Lignane (sogenannte Phyto-SERMs oder "Phytoöstrogene"). Eine spezielle, wissenschaftlich fundierte Brustkrebsdiät existiert nicht.

Besonders häufig von Unterernährung betroffen sind Patienten mit Karzinomen der Kopf-Hals-Region. Meist liegen jahrelanger Konsum von Alkohol und/oder Nikotin sowie eine fortgeschrittene Erkrankung vor. Häufig sind chronisch obstruktive Lungenerkrankung, koronare Herzerkrankung und Leberzirrhose, desolater Zahnstatus sowie schlechte Ernährungsgewohnheiten. Hier kommt es besonders häufig zu Einschränkung bzw. Unmöglichkeit einer oralen Ernährung.

Pankreaskarzinome treten zwar eher selten auf, liegen dann aber meist bereits in einem sehr fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadium vor. Appetitlosigkeit, abdominelle Schmerzen sowie Ikterus (Gelbsucht) und Aszites (Bauchwassersucht) sind nicht selten. Spezifische Ernährungsempfehlungen für Betroffene gibt es nicht, so gibt es bspw. keine Studiendaten für den Nutzen einer hochdosierten Aufnahme von Vitaminen, Spurenelementen und anderen Mikronährstoffen.

Bei Magenkarzinomen ist der Gewichtsverlust eines der ersten Anzeichen. Nach Magenresektion werden häufige, kleine Mahlzeiten empfohlen, um abdominelles Druckgefühl, Singultus (Schluckauf), Nausea und Emesis (Übelkeit und Erbrechen) sowie im Extremfall Kreislaufkollaps etwa durch Flüssigkeit aus dem Blut im Dünndarm zu vermeiden. Bei hoher Kohlenhydratmenge droht eine Hyperglykämie (Überzucker), die ggf. mit Insulin reguliert werden muss.

Bei Kolonkarzinomen treten Ernährungsstörungen meist in Folge der chirurgischen oder medikamentösen Therapie auf. So schädigen Zytostatika die Darmmukosa, bei Entfernung von größeren Darmabschnitten verringert sich die Wasserresorption durch den Restdickdarm. Bei künstlichem Darmausgang (Stoma) kommt es häufig zu Meteorismus, Geruch oder Diarrhoe bzw. Obstipationsneigung, was einer veränderten Kostzusammenstellung bedarf. Hier besteht die Gefahr einer zu einseitigen Ernährung. Grundsätzlich gilt: häufigere, kleinere Mahlzeiten, langsames Essen, ausgiebiges Kauen, Vermeidung zu heißer und zu kalter Speisen, schonende Zubereitung (gedünstet, gedämpft) und eine hohe Flüssigkeitszufuhr.

Nach der Therapie ist eine dem Energiebedarf angepasste (fettmodifizierte), obst- und gemüsereiche Ernährung mit ausreichend Ballaststoffen und einem geringen Anteil an tierischen Nahrungsmitteln empfehlenswert (vgl. die Empfehlungen des WCRF).

Auch bei ungünstigem Ausgang können fast alle Patienten noch bis zuletzt Nahrung oral aufnehmen. In der Palliativmedizin gilt der Grundsatz, Wünsche des Patienten zu respektieren und ggf. die Angehörigen in die Therapie mit einzubeziehen. Die Erfüllung individueller Ernährungswünsche steht hier ganz im Vordergrund. Aktuell wird auch die Möglichkeit des sogenannten Sterbefastens, also des freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit, unter Fachleuten kontrovers diskutiert. Eine Umfrage unter Ärzten ergab 2015, dass die Zustimmung bei onkologischen Patienten besonders groß ist, was jedoch noch einer vertieften und differenzierten ethischen Betrachtung bedarf.

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