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Aufgrund seiner großen Bedeutung in der Kultur- und Medizingeschichte, der Forschung in der jüngeren Vergangenheit und dem Potential für die medizinische Nutzung wählt der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde den Myrrhenbaum zur Arzneipflanze des Jahres 2021.


Botanik

Der Myrrhenbaum (Commiphora myrrha, syn. Commiphora molmol) ist ein laubabwerfender, dorniger kleiner Baum aus der Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae), der etwa 4 m Höhe erreicht. Beheimatet ist er in den Trockengebieten des nordöstlichen Kenias und östlichen Äthiopiens, in Dschibuti, Somalia sowie auf der arabischen Halbinsel (Oman und Jemen).

Der Myrrhenbaum ist von anderen Commiphora-Arten zu unterscheiden, die zum Teil ebenfalls medizinisch genutzt wurden und werden.




Geschichte

Die rituelle und medizinische Nutzung des aromatischen Gummiharzes, der eigentlichen (Echten) Myrrhe, wird bereits in den ältesten erhaltenen Aufzeichnungen der Menschheit erwähnt. In unserem Kulturkreis sind uns vor allem die Erwähnungen in der Bibel vertraut. Im 2. Buch Mose (Ex 30,23-25) findet sich Myrrhe als erster Bestandteil des heiligen Salböls. Das balsamisch-süß und würzig-warm riechende Harz ist getrocknet sehr stabil und wurde als wertvolles Gut schon im Altertum über lange Handelswege transportiert. Am bekanntesten ist die Stelle des Matthäus-Evangeliums (Mt 2,11), wo die Sterndeuter aus dem Osten dem neugeborenen Kind Gold, Weihrauch und Myrrhe darbringen.

Eine sehr vielfältige medizinische Nutzung ist in altägyptischen Texten belegt, u. a. in Rezepturen zur Behandlung von Husten und zur Versorgung von Wunden, was sich bei den Autoren der griechisch-römischen Antike fortsetzt. Im Mittelalter entwickeln sich Beschwerden des Verdauungstraktes zu einem Hauptanwendunsgebiet der Myrrhe, so beim persischen Arzt Ibn Sina (lat. Avicenna, ca. 980/1037) und in der einflussreichen Schule von Salerno ("Circa instans", 12. Jh.). In den überlieferten Handschriften der Naturkunde Hildegards von Bingen finden sich gleich zwei Kapitel zur Myrrhe, ausführlich beschreibt sie die Anwendung der Rinde bei Gelbsucht und Lähmungen, ferner die äußerliche Anwendung des Harzes bei Magenbeschwerden sowie innerlich bei Fieber. In den frühen gedruckten Kräuterbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts fokussieren sich die Anwendungen auf Beschwerden der Atemwege und des Verdaungstraktes. Schließlich wird im 18. und 19. Jahrhundert die Myrrhe auch als allgemeines Stärkunsgmittel für Magen, Herz und Nerven empfohlen.


Moderne

Heute werden in Europa Zubereitungen aus Myrrhe wegen ihrer adstringierenden, entzündungshemmenden und antimikrobiellen Eigenschaften vor allem bei Entzündungen der Haut sowie der Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich, aber auch des Darmes eingesetzt: Eine Kombination mit Kamille und Kaffeekohle wird aufgrund positiver Ergebnisse in klinischen Studien zur remissionserhaltenden Behandlung bei Colitis ulcerosa empfohlen.

Weltweit läuft derzeit eine umfangreiche Forschung, bei der neben dem Harz auch andere Bestandteile des Myrrhenbaumes untersucht werden. Im Harz konnte bereits eine Fülle von pharmakologisch interessanten Substanzen identifiziert werden, die auf weiteres medizinisches Potential hindeuten.

Die Wahl des Myrrhenbaums erfolgte durch eine formalisierte Punktevergabe zur historischen Bedeutung, zur präklinischen und klinischen Forschungslage und zur aktuellen medizinischen Praxis, bei welcher der Myrrhenbaum die anderen von der Experten-Jury vorgeschlagenen Arzneipflanzen übertraf.

Der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde kürt seit 1999 die Arzneipflanze des Jahres. Vorrangiges Ziel ist es, an die lange und gut dokumentierte Geschichte von Pflanzen in der europäischen Medizin zu erinnern. Aus dieser Geschichte können wichtige Hinweise für eine pharmazeutische und medizinische Nutzung altbekannter Heilpflanzen extrahiert werden. Die Auslobung erfolgt zum 19. November, dem Geburtstag des im März 2019 verstorbenen Medizinhistorikers Dr. Johannes Gottfried Mayer.

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